Ende Februar erreichte die Roverrunde die Einladung des Städtepartnerschaftsvereins Limburg, nach Lichfield zu kommen. Zuvor wurde nämlich ein Kontakt zu einer dort agierenden Pfadfindergruppe hergestellt. Vier der Rover meldeten sich: Adrian, Charlie, Jana und Nevio. Martin begleitete die Truppe als Leiter.
Am Freitag, den 26. April, um 3:00 Uhr morgens war es dann soweit. Der Bus fuhr vom Marktplatz in Limburg ab. Mit an Bord waren nicht nur wir Pfadfinder, sondern auch die Kreismusikschule und viele des Städtepartnerschaftsvereins. Die Busfahrt erwies sich als relativ angenehm. In den dunklen Morgenstunden ließ es sich gut schlafen, und der Weg zum Meer führte uns an vielen interessanten Regionen vorbei, wie beispielsweise Brüssel. Am Meer angekommen, genauer gesagt in Calais, erwartete uns um die Mittagszeit herum eine Fähre zur Überfahrt. Die Klippen von Dover zu sehen, die sich grell weiß vom Meer und Horizont abhoben, war ein wahrlich schöner Anblick.
Genauso interessant war jedoch auch die Busfahrt in England. Entlang zahlloser Schafherden führte uns der Weg vorbei an London, Oxford und Birmingham, bis wir abends in Lichfield am Busbahnhof ankamen. Dort empfingen uns unsere Gastfamilien herzlich. Nach einem kurzen Stopp in der jeweiligen Gastfamilie, ging es zum Haus einer Leiterin, die gleichzeitig auch die Gastmutter von Nevio und Adrian war. Hier aßen wir zusammen als Willkommensdinner direkt Fish and Chips. Wie angenommen gab es Essig und Salz dazu aber auch 3 interessante Soßen: Erbsenpürre, Bratensoße und Curry.
Danach ging es weiter zum Pfadfinderhauptquartier, wo eine jüngere Pfadfindergruppe gerade ihre Gruppenstunde abhielt. Sie führten einen Tanz für uns auf, dem wir direkt beitreten sollten. Danach gab es eine offene Frage- und Antwortrunde, in der wir uns gegenseitig Fragen zum Scouting stellten. Dabei fiel direkt auf, dass die Pfadfinderphilosophie in England sich etwas von unserer unterscheidet. Man kann bereits sagen, dass die Pfadfinder wesentlich strenger sind und einen fast militärischen Charakter pflegen. Auch gewisse Routinen wie beispielsweise das Salutieren vor dem Union Jack zur Abschlussrunde waren für uns neu. Ebenfalls neu für uns war, dass die unterschiedlichen Altersgruppen verschiedene Aktivitäten durchführen, um Abzeichen zu sammeln. Beispielsweise ist darunter ein Abzeichen für Sporttreiben, Respekt für Tiere und Erste Hilfe oder eines, dass fordert, sich mit globalen Problemen auseinanderzusetzen. Eine Gruppenstunde dort kann ganz unterschiedlich aussehen, von gemeinschaftlicher Auto-Reparatur über Bogenschießen bis hin zum Kanufahren ist alles mögliche dabei. Aber auch Spielestunden oder Übungen zum Zeltaufbau sind an der Tagesordnung. Es war interessant zu sehen, dass das Pfadfindersein in England einer ganz anderen öffentlichen Aufmerksamkeit, aber auch einem anderen Respekt gegenübersteht.
Am ersten Tag in Lichfield stand zunächst eine Besichtigung einer historischen Wasserpumpe an. Diese Pumpstation muss zur Zeit der Industrialisierung ein wirklich wichtiger Standort gewesen sein. Eine Führung dort erzählte uns von vergangenen Zeiten, die unser Verständnis für Technik bis heute prägen und faszinieren. Im Anschluss trafen wir uns in der Innenstadt und genehmigten uns einen schnellen Imbiss. Denn nach dem Mittagessen war eine Stadtbesichtigung geplant, die vom Leiter der örtlichen Pfadfindergruppe und Martins Gastgeber geführt wurde. Besonders interessant waren vor allem die Kathedrale, das alte Rathaus mit einem historischen Kerker und der alte Marktplatz. Auf dem Weg zum Friendship kehrten wir in einen der ältesten Pubs in Lichfield ein, den Duke of York. Dort probierten wir das ein oder andere Ale und waren fasziniert von der angenehmen Stimmung dort.
Unser größter Kulturschock entpuppte sich als harmloses Fruchtkonzentrat. Doch alles der Reihe nach. Am zweiten Tag der Reise stand für uns vormittags eine Kanufahrt mit ein paar Explorern, die Rover dort, am nahegelegenen Manor Park Lake an. Trotz des sehr nassen, doch englischen Wetters brachten uns die Gastgeber sicher zur Wassersportanlage. Dort angekommen, wurden uns Neoprenanzüge und Schwimmwesten angeboten, welche jedoch Voraussetzung fürs Kanufahren waren. Auf dem See, immer zu zweit in einem Kanu, galt es nun zunächst, sich mit dem Paddeln vertraut zu machen. Der aufkommende Wind erschwerte dies für den ein oder anderen. Nach einem Partnerwechsel mitten auf dem See für eine ausgewogenere Besetzung hatten die Engländer ein Spiel vorbereitet, das an einer relativ windstillen Stelle des Sees umgesetzt wurde. In zwei Teams spielten wir eine Art Handball, was sich in den wackeligen Booten als gar nicht so einfach erwies. Ein wenig nass und erschöpft wieder an Land grillten uns die Explorer Burger und Hotdogs. Auch für Getränke war gesorgt. Eine Flasche Orangensaft und eine Karaffe Wasser standen für uns bereit. Martin entschloss sich dazu, uns fünf eine Schorle zu mixen. Die Anzahl der Becher auf dem Tisch entsprach jedoch nicht der Größe der Orangensaftflasche. Der Saft reichte gerade für fünf halbe Becher. Großzügig mischte Martin den Orangensaft mit dem Wasser. Doch aus diesem Vertrauen heraus erfuhren wir die harte Wahrheit über den gängigen Gebrauch von Fruchtkonzentrat oder Fruchtsirup in England. Trotz der kurzzeitig starken Überzuckerung wurde uns klar, wie eine solch kleine Flasche eine große Gruppe Pfadfinder versorgen kann. Dazu lernten wir auch etwas. Ist so ein Fruchtkonzentrat nicht eine tolle Sache für ein Lager?
Am Nachmittag bereiteten uns die Pfadfinderleiter der siebten Lichfielder Gruppe einen spannenden Nachmittag mit Bogenschießen und Luftgewehrschießen in ihren eigenen Räumlichkeiten. Zum Abendessen war ein Kochwettbewerb geplant, der in der Explorer-Hood des Parks ausgeführt wurde. Über offenem Feuer braten wir Nudeln und Gingerbread in Orangen. Den Abschluss des Abends verbrachten wir mit einer kleinen Runde Werwolf.
Den letzten vollen Tag in England verbrachten wir mit dem Städtepartnerschaftsverein, denn dieser hatte von Anfang an einen ganztägigen Ausflug nach Chester geplant. Nach anderthalb Stunden Fahrt erreichten wir Chester, um dort direkt in der Kathedrale an einer Führung teilzunehmen. Die Führung endete mit einer kleinen Teezeremonie. Danach lösten wir uns von der großen Gruppe und suchten erst einmal ein geeignetes Fish-and-Chips-Lokal. Anschließend besichtigten wir die Stadt, die vor allem durch ihre historischen Gebäude und die zweistöckige Einkaufsstraße begeisterte. Dort konnten wir auch die letzten Souvenirs und Einkäufe tätigen. Auf der Rückfahrt ereignete sich dann ein schockierender Zwischenfall. Auf dem Motorway lieferte sich unser Reisebus ein kleines Rennen mit einem Sattelschlepper. Unser Busfahrer überholte den Sattelschlepper auf der falschen Seite, was der englische Busfahrer mit aggressiven Hupen und einem riskanten Überholmanöver quittierte. An einer Ampel stieg der LKW-Fahrer aus und trat gegen unseren Reisebus, was absolut gegen die englische Manier spricht. Doch das sollte nicht der einzige Zwischenfall mit unserem Bus bleiben... Abends kochten die Hosts für uns Dinner. Bei dem Crosbys, die Gasteltern von Jana und Charlie, gab es englische Shepherdspie. Danach fuhren wir wieder zum Beacon Park, um zum Abschluss mit jenen noch einen Runde Frisbeegolf zu spielen.
Die lange Rückfahrt am Dienstag blieb jedoch erträglich durch die Stopps und die Gespräche im Bus. Zurück überquerten wir den Ärmelkanal mit dem Eurotunnel. Etwa 50 Minuten vor Limburg, auf der Zielgeraden, verabschiedete sich der Busfahrer von uns und übergab den Bus einem Kollegen. Wir freuten uns auf das immer näherkommende Ende der langen Busfahrt, zumal es mittlerweile auch schon sehr spät geworden war. Gegen 22:15 Uhr ging ein lauter Knall durch den Bus, gefolgt von einem Ruck. Den Knall folgte ein immer wiederkehrendes Ruckeln und plötzlich eine Rauchbildung im hinteren Teil des Busses. Auf panische Rufe unsererseits hin hielt der Busfahrer auf dem Standstreifen der A3 an. 40 Minuten vor Limburg trat nun eine Buspanne auf. Alle verließen den Bus zügig und brachten sich hinter der Leitplanke in Sicherheit. Die sich bildende große Lache war nicht gerade beruhigend. Doch die Polizei war schnell vor Ort, wodurch nach einiger Zeit die A3 gesperrt wurde. Sie klärte die Situation auf und die Lache stellt sich als Motoröl heraus. Das Crescendo der Reise bildete also ein simpler Motorschaden. Ein neuer Bus rettete uns vom Seitenstreifen. So konnte trotz einer ernsten Panne die Reise wohlbehalten zu Ende gebracht werden. Unser Gepäck musste jedoch einen Tag auf sich warten lassen.
Rückblickend lässt sich sagen, dass die Reise ein wahnsinnig tolles Erlebnis war. Die Einblicke in ein neues Land zu bekommen, aber auch gleichzeitig lokal mit so liebevollen Menschen Kontakte zu knüpfen, ist eine wahnsinnig einzigartige Erfahrung. Auch zu sehen, wie Pfadfinder über Grenzen hinweg verbinden, ist eine schöne Sache. Wir hoffen, dass der Kontakt bestehen bleibt und in Zukunft noch viele weitere gemeinsame Erlebnisse anstehen.
DPSG Stamm Tilia Hollesse
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